Uruguay oder Brasilien, hauptsache Afrika

Kurze Meldung aus dem Sommer-, Prüfungs- und Reiseloch: Dass Beschreibungen grundsätzlich mal nichts mit der eigentlichen Sendung zu tun haben müssen beweist heute eindrucksvoll tvmovie.de

Screenshot: tvmovie.de

Der Praktikant, der vor der WM sein Geld auf Brasilien setzte ist jetzt wahrscheinlich auch nicht mehr sonderlich glücklich…

Schon GEZürnt?

Was ist das eigentlich für ein bizarres Rumgehacke auf der Reform der Rundfunkgebühren, die gestern von der Rundfunkkommission verabschiedet wurde?

Liest man erst die Kommentare zu dieser Entscheidung, muss man meinen, die Welt gehe unter. „Staatlich sanktionierter Raub“, und so.

Ich finde das ja schon ulkig. Von Springer- und RTL-II-Jüngern hätte ich mir ja auch nichts erwartet, was irgendwie auch nur ein bisschen reflektierter wäre, aber was man da selbst in gediegeneren Kreisen und Blättern liest stimmt mich schon irgendwie mehr als nachdenklich.

Erstmal hat sich doch nichts geändert. Jeder Haushalt muss zahlen. Oder behauptet tatsächlich noch jemand, dass es (eine relevante Menge an) Haushalte gibt, in denen es keinen PC, keinen Fernseher und kein Radio gibt? Das nehme ich schlicht und einfach niemandem ab.

Was sich geändert hat, ist, dass nun eben eine Pauschale pro Haushalt gezahlt wird, keine Abgabe pro Gerät. Ist das nicht eigentlich ein riesiger Fortschritt, was Gerechtigkeit angeht?

Offensichtlich sind doch viele einfach nur froh, dass die GEZ mal wieder Schlagzeilen macht, womit ist egal, aber im Zweifel kann man immer gut draufhauen, so genau versteht ja eh niemand, warum wir das überhaupt zahlen müssen. Staatsfernsehen und so. Ja sind wir denn in ItalienChina?

Ich find die GEZ nicht toll. Ich finde es nicht toll, das zwielichtige Gestalten an meiner Türe klingeln, und ich – auch wenn ich im Recht bin – mir hinterher spionieren lassen muss von Leuten, die den besten Wachturm-Verkäufern und Drückerkolonnen Konkurrenz machen.Ich finde es fragwürdig, dass die GEZ mit den Gebühren Werbung für sich selbst macht, und über das vor nicht allzu lange Zeit eingeführte Forum und dessen „Moderation“ kann man nur den Kopf schütteln.

Es mag ja sein, dass die Gebühren von Anfang an keine sonderlich gute Idee waren, und man eine andere Lösung hätte finden können/müssen.

Wenn ich mir aber vorstelle, was eine Abschaffung der GEZ-Gebühr für die deutsche Medienlandschaft bedeuten würde, schüttelts mich.

Niemand zahlt gerne 18€ im Monat. Aber wenn die Alternative dazu eine Zukunft ohne tagesthemen ist, ohne Tatort, ohne Bundestagsdebatten, ohne arte, ohne Sportschau, ohne Nachrichten, die von Konzernen gekauft sind(ok, hier kommen die Öffentlich-Rechtlichen auch nicht ganz ohne blaues Auge davon), oder die eigentlich eh zu teuer sind… Ich mag keine Zoo-Serien, und Telenovelas statt Bundestag sind ebenso überflüssig, im Gegensatz zu den Scripted-Reality-Shows der Privaten oder deren unsäglichen Shows, in denen vollkommen überzeichneten Stereotypen das Leben (angeblich) besser gemacht wird, sind sie wenigstens nicht gefährlich.
Und wer sich mal die Zeit nimmt, und eine Woche lang zu allen möglichen Tages- und Nachtzeiten auf ARD, ZDF, den Dritten sowie Phoenix und arte herumzappt, sich deren Dokus und Produktionen ansieht, wird recht schnell feststellen, dass diese  60 Cent am Tag durchaus gut angelegtes Geld ist.
Nachtrag 19:30 Uhr: Fefe stößt in ein anderes, aber noch viel sinnvolleres Horn: Die GEZ-Gebühr als Kultur-Flatrate und öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten auf einer Stufe mit Opern, Bibliotheken und Theatern: Von den Wenigsten genutzt, von der Allgemeinheit finanziert. Zu recht.

Intermission 5

The Daily Show: AssQuest 2010

17 Infografiken/Statistiken zum Thema Twitter

Heribert Prantl: Das tägliche Brot der Demokratie

Eindrücke von Nicolas Berggruen, dem Mann, der Karstadt kauft

taz-Übersetzungshilfe für´s Sparpaket: Tricksen, täuschen, schönrechnen

Joschka Fischer im Interview: Im Parlament muss es krachen

Onkel Obama (mal wieder…)

Welch wunderbare Rede. Welch Nachhaltigkeit, die er predigt. Wenn er sich nur selber an seine eigenen Ideale halten würde…

[Den Text der Rede gibt es, wie immer, auf www.whitehouse.gov]

Intermission 4

Nach Schmäh über Israel – Helen Thomas geht mit 89

AFI’s 100 Years…100 Heroes and Villains

gauck is my president

Familienministerin gibt auf Twitter die Marie Antoinette

The Daily Show’s Best Apple Moments

„We are the way to happiness“

5 Millionen views auf youtube und an mir ists total vorbei gegangen. Sehr verwirrend.

Interessant dazu ist auch die Geschichte ums Auf- und wieder Abtauchen des Videos. Auch die ist allerdings mehr als zwei Jahre alt. Dennoch: Besser spät, als nie.

Intermission 3

Big Irish crackdown on net piracy

Joshua Radin – Ony You (Live) sonntagabendlichemusikmelancholie

Merkels idealer Präsident: „Danke, dass es Sie gibt“

Das Tollhaus. Hamburgs K(r)amp um sein Konzerthaus.

The Boston Globe (Big Picture): Caught in the oil Eher nach dem Essen und mit starken Nerven „genießen“.


Facebook ist (gar) nicht (so) schlecht

Es muss unheimlichen Spaß machen, über Facebook, Google und Co medial her zu ziehen. Sinn macht das, was sich in den letzten Tagen in SZ und ZEIT fand nämlich überhaupt keinen.

Man möchte meinen, dass Bernd Graff mit seinem (leider noch nicht online abrufbaren) Artikel „Das neue Profil des Menschen“ (SZ vom 5./6. Juni) und Götz Hamann mit seinem Text „Facebook – Im Sog der Masse“ (ZEIT vom 3.6.) um den Titel des bizarrsten und abwegigsten Aufsatzes zu diesem Thema wetteifern.

Es ist dieser Tenor vom unmündigen Facebook-Benutzer, der gedankenlos seine Daten und Privatsphäre  herschenkt, die einen allmählich wahnsinnig machen. Aber der Reihe nach.

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Noch in der Überschrift stellt die Zeit die recht entscheidende Frage, deren ehrliche Beantwortung den kompletten nachfolgenden Artikel eigentlich obsolet machen könnte:

Ein Datenschutzskandal jagt bei Facebook den nächsten. Trotzdem wächst die Internetfirma rasant. Aber wem schenken 470 Millionen Erdenbürger da eigentlich ihr Vertrauen? Und warum?

Nun, die einfachste Antwort ist: Weil wir wollen. Die zweit einfachste: Weil wir können.

Weiter schreibt er: „Facebook maßt sich vor allem eines an: Es will bestimmen, was öffentlich ist und was privat und wie viel Selbstbestimmungsrecht der Einzelne in der Frage hat.“ Ich kann nicht nachvollziehen, wie man das behaupten kann. Als ich das letzte Mal bei Facebook war (so vor ca. 2 Minuten), konnte noch ich bestimmen, welche Daten und Informationen ich weitergebe. Ja, es gibt bestimmte Daten, die man angeben muss. Das sind der Name, eine funktionierende eMail-Adresse sowie das Geburtsdatum. Von diesen drei (!) verpflichtenden Angaben lassen sich zwei (eMail-Adresse und Geburstag) hinterher wieder ausblenden. Bleibt der Name, und ohne den kann ein soziales Netzwerk nicht funktionieren, weil es ja darum geht, andere zu finden und das passiert nun mal gemeinhin, in dem man nach den Namen sucht. Schon in Telefonbüchern (sehr 1.0) macht man das so. Auf die Möglichkeit, dass man einen falschen, unvollständigen oder zumindest abgeänderten Namen angibt muss man eigentlich gar nicht eingehen, so offensichtlich ist sie. Obwohl, für Herrn Hamann scheint es nicht erwähnenswert zu sein.

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Der ganze Artikel hätte im Endeffekt im Konjunktiv verfasst sein sollen. Denn fast keiner der Aspekte, die Hamann gegen die Vertrauenswürdigkeit von Facebook anführt ist in der Nutzung unausweichlich. Ja, Facebook schaltet Werbung auf den eigenen Seiten. Ja, ich kann sie anklicken, für gut befinden und es alle meine Freunde wissen lassen. Ja, wenn ich auf diese Weise ein Paar Schuhe von adidas meinen Freunden empfehle hat das natürlich eine andere Wirkung, als wenn sie das selbe Paar Schuhe an einer Litfaßsäule in München sehen.

Nur: Ich muss es nicht machen. Und ich mache es nicht. Und von meinen Facebook-Freunden macht es auch niemand. Das ist natürlich nicht repräsentativ, aber: Entscheidend ist doch, dass ich das Facebook-„Erlebnis“ in vollen Zügen genießen kann, ohne andere Leute mit Werbung vollzumüllen oder Facebook selber mit für sie wertvollen Datensätzen zu versorgen.

Das gilt für die Werbung auf Facebook internen Seiten ebenso wie für das vor nicht allzu lange Zeit eingeführt Werbemodell der „Instant Personalization“. Auch hier gilt: Ja, ich kann mein Facebook-Profil mit anderen Service-Anbietern, z.B. yelp verbinden. Ja, Facebook vergrößert damit seine Reichweite deutlich über das eigene Angebot hinaus. Aber auch hier ist doch das Entscheidende, dass ich als Nutzer das einfach nicht annehmen muss. Man muss es doch nicht Facebook vorwerfen, dass sie dieses Angebot zu Verfügung stellen. Mann kann doch nicht den Vorwurf konstruieren, dass alleine die Möglichkeit, dieses Angebot zu nutzen, ein weiterer Schritt zur vollständigen Offenbarung meiner Persönlichkeit im Netz ist. Es sind doch diejenigen, die auf dieses Angebot bewusst (!) eingehen, den man einen Vorwurf machen muss. Wenn keine Nachfrage an einem solchen Service vorhanden wäre, würde es ihn gar nicht geben. 470 Millionen Menschen nehmen doch nicht vollkommen blind alles an, was Mark Zuckerberg ihnen vor der Nase baumeln lässt.

Und ebenso muss doch beachtet werden, dass ich keinen, wirklich überhaupt keinen Nachteil habe, wenn ich all diese Angebote ausschlage. Kritisch wäre es natürlich, wenn ich beispielsweise nur dann Fotos hochladen oder Nachrichten verschicken könnte, wenn ich bestimmte Dienste nutzte, die direkt oder indirekt Facebooks Datenarsenal vergrößern. Das ist aber nicht der Fall. Es gibt quasi unendlich viele Möglichkeiten aber keine davon ist ein Muss.

···

In ähnliche Hörner stößt auch der SZ-Artikel, allerdings mit nochmal weniger nachvollziehbarem Fundament: Graff attestiert Facebook „zum Teil aggressive Geschäftsgebahren“. Puh. Gut, dass im irgendjemand noch das „zum Teil“ davor gesetzt hat, aber selbst mit der Einschränkung bleibt das doch irreführend. Aggressivität sieht für mich ja anders aus. Aggressives Geschaftsgebahren ist für mich, wenn mich ein deutschen Proleten-Comedian im Fernsehen anbrüllt, und mir erzählt, welcher sein Laden ist. Mag sein, dass Facebook wirtschaftlich mit harten Bandagen kämpfen. Das aber festzustellen und zu kritisieren ist reichlich überflüssig. Kaum ein Markt dürfte härter umkämpft sein als „das Internet“ und dort insbesondere alles, was mit Werbung zu tun hat. Dass Facebook nicht die Heilsarmee ist, nun wirklich kein Geheimnis.

Nach einige Absätzen ist Graff dann aber in Hochform und schießt sich so richtig auf Facebook als neumodische Rasterfahnder und Profiler an.

Nicht das ausverkaufte Fußballstadion liefert Auskünfte, sondern die nach Merkmalen heruntergebrochene Menge – etwa derjenigen, die einen Sitzplatz auf der Nordseite haben, Wurst essen, aber kein Bier trinken, karierte Mützen tragen und eine Sonnenbrille und immer fünf Minuten zu spät kommen.

Und er folgert:

Damit lässt sich etwas anfangen.

Wirklich? Ich glaube nicht. Vielleicht verstehe ich einfach die Feuilletonisten-Logik dahinter nicht, aber ehrlich gesagt fällt mir auch einen Tag, nachdem ich das zum ersten Mal las nichts ein, was sich mit den Informationen anfangen ließe.

Nun bin ich kein Stadiongänger sondern Facebook-Nutzer, aber für mich hat er da eine Analogie zusammen geschustert:

Menschen, die X ihre Lieblingsspeise nennen, den Sport Y niemals betrieben haben und nichts gegen weiße Socken einzuwenden haben, wählen Z.

Mal abgesehen davon, dass  ich aus den Politik-Veranstaltungen zu Wahlforschung dann doch ganz andere relevante Theorien zum Wählerverhalten mitgenommen habe (keine davon hatte mit Lieblingsessen und Socken zu tun, sondern eher mit Erziehung, sozialem Umfeld und rational-choice) sind mir Profilfelder für Lieblingsspeise, Sport, der noch nie betrieben wurde oder bevorzugte Sockenfarbe nicht bekannt. Ein Feld zur politischen Einstellung gibt es zwar, aber ich kenne nur wenige, die dort etwas Richtiges und Sinnvolles angeben, und wenn, dann ließe sich das meistens auch aus eindeutigen Gruppenmitgliedschaften erschließen.

Würde ich das lesen, ohne Facebook besser zu kennen wäre ich wohl ebenso empört wie der Autor. Aber nur solange bis ich herausfände, dass Facebook mir nicht vorschreibt – so wie Graff es suggeriert – dass ich sämtliche von ihm angeführten Vorlieben und Interessen  auspacken muss, bevor ich meinen lange verschollenen Cousin in den USA (wie oft ich das schon lesen musste…) wieder finden kann.

Eigentlich wollte ich nach dem Mist mit der Lieblingsspeise und den Socken schon alles in die Ecke werfen, bin aber froh, mich dann doch eines besseren entschieden zu haben, weil das eigentliche Highlight noch kommt.

Googles und Facebooks Maschinen lernen gerade, Korrelationen herzustellen, keine Kausalzusammenhänge. Sie erkennen keine Bedeutung. Sie verfeinern Muster. Was etwa passt noch zum Profil eines Mannes in seinen besten Jahren, der unbedingt mit dem Rauchen aufhören möchte, niemals Jeans einer bestimmten Marke und niemals Boxershorts trägt, die Band The National für sich entdeckt und Bob Dylan wie Bowie nie verloren hat, selten zum Friseur geht, alte Autos fährt, Computer liebt und Fahrräder ohne Gangschaltung, häufig friert und sowieso Fußballfan ist? Was ist noch damit verbunden und was lässt sich daraus alles ableiten, prognostizieren und verallgemeinern? Über den Mann, seine Clique, seine Klientel? […] Welche Zielgruppe entsteht überhaupt erst, sagen wir: für den Verkauf von Haarshampoo?

Meine Vermutung: Gar keine.

Vollkommen unklar bleibt wie vorher schon, woher Facebook (oder plötzlich auch Google) diese Daten haben könnte. Das Beispiel ist eine so absurde Konstruktion einer Welt, die Graff als Wahrheit hinstellt, ohne nur im Entferntesten auf die Möglichkeit einzugehen, dass facebook auch nur das sammeln kann, was eine Mitglieder ihm zur Verfügung stellen.

Vielleicht hilft ja ein Blick auf die das Facebook-Profil von Bernd Graff, um zu sehen, woher diese Fehleinschätzungen kommen. Auf den ersten Blick: ja und nein.

Irgendwie ist es schon nicht sonderlich konsequent, sich über die Datenwut von Facebook zu echauffieren und gleichzeitig allen Besuchern seiner Seite die Möglichkeit zu geben, über seine Pinnwand zu sehen, wann er morgens im Büro und abends in seiner Wohnung angekommen ist. Ich weiß jetzt, wann und wohin er umgezogen ist, und dass er einen Grateful Dead-Ohrwurm hatte. Würde ich all das allen 470 Millionen Facebook-Nutzern so auf dem Silberteller präsentieren und nicht nur meinen ca 120 facebook-Freunden, die das im Zweifel schon wissen, ich würde wohl auch paranoid werden.

···

Dass das hier jetzt so ausführlich wird passt mir eigentlich gar nicht sonderlich, weil beide Artikel eigentlich zu leicht zu durchschauen sind. Und dennoch wurmt es mich jedes mal aufs Neue, wenn ich diese Un- oder zumindest Halbwahrheiten lese.

Ja, ich nutze Facebook, oft und gerne, aus verschiedensten Gründen. Aber ich bin kein unkritischer, unreflektierter Jünger von Mark Zuckerberg und seinem Unternehmen. Ich achte auf meine Daten und das, was ich von mir auf Facebook preisgebe überlege ich mir sehr genau. Und nicht nur ich, sondern fast alle, die ich kenne. Mir kommt es immer häufiger so vor, als ob altere Jahrgänge wider und wieder Anlass und/oder eine Verpflichtung sehen uns (und damit meine ich die Generation von Menschen, die mit dem Internet aufgewachsen sind, und deren Mitglieder wohl einen sehr großen Teil an Nutzern sozialer Netzwerke ausmachen dürfte)  darauf hinzuweisen, wie gefährlich dieses „Internet“ ist, gerade so, als ob wir das nicht wüsste. Ich glaube beim besten Willen nicht, dass das notwendig ist. Es wird uns nicht einmal zugetraut, dass wir verantwortungsvoll mit unserer Privatsphäre umgehen können und zwar in einem Medium, dass für uns sehr viel vertrauter ist als für diejenigen, die uns erklären wollen, wie es funktioniert.

Ich werde doch einigermaßen oft gefragt, ob ich denn auch in diesem Facebook sei, und ob das nicht sehr gefährlich sei und überhaupt. Liest man ja auch immer in der Zeitung. Die einzigen Menschen, die ich kenne, die sich von Zeitungsartikeln mit oben geschildertem Tenor beeinflussen lassen sind jene, die nicht bei Facebook sind und/oder allgemein nicht sonderliche Internet-affin. Jeder, der sich nur die Mühe macht, sich nur wenige Stunden mit Facebook und seinen Möglichkeiten und Funktionen vertraut zu machen, entlarvt die Graffs und Hamanns der deutschen Zeitungen schon nach wenigen Zeilen.

Gleichzeitig gibt man Kritikern wie Ilse Aigner massig Raum, um ihre Vorbehalte zu veröffentlichen. Nun mögen die teilweise sicherlich berechtigt sein, nicht alles, was facebook macht, muss und kann man lieben. Unter anderem moniert Aigner, dass man in den Sicherheitseinstellungen von facebook einige kritische Funktionen eigenhändig deaktivieren muss. Das ist richtig. Ist aber möglich und dauert, selbst wenn man googlen muss, wo und wie genau es funktioniert, maximal 10 Minuten. Ich wüsste ja gerne mal, wo die opt-in-Funktion zur Vorratsdatenspeicherung und zu ELENA ist. Wobei selbst opt-out da schon ein Fortschritt wäre.

Die grobe Botschaft in vielen Zeitungen lautet ja doch recht deutlich, dass man sich besser von Facebook abmelden sollte, um seine Ablehnung zu demonstrieren. So könne man seine Nutzer ja wirklich nicht behandeln, und nur mit sinkendem Umsatz würden sie in Kalifornien die Zeichen verstehen.

Ich hätte so recht explizite Aufforderungen in auflagenstarken Zeitungen ja gerne gelesen, als heraus kam, dass bei Lidl systematisch Mitarbeiter per Video und Detekteien überwacht wurden. Dazu haben sich die Lidl-Mitarbeiter weder freiwillig angemeldet, noch konnten sie sich aussuchen, welchen Teil ihrer Daten sie dem Unternehmen überlassen und eine opt-out-Politik, was die Video-Überwachung angeht gab und gibt es dort wohl auch nicht.


Gerade gesehen 2

Heute: Nahost-Politik mit den tagesthemen.

Die – mindestens – fragwürdigen Aktionen der israelischen Armee in den letzten Tagen werden ja ausführlich überall durchgekaut, meistens auch mit einer gehörigen Portion Skepsis, ob der Verhältnis- und auch der Rechtmäßigkeit. Umso erstaunlicher eigentlich, dass ausgerechnet die tagesthemen von gestern Abend da ganz andere Töne anschlugen. Zum Thema ‚Gaza-Blockade‚ lässt man da die israelische Position von Journalist und (anscheinendem) Militär-Experten Alon Ben David vertreten. Und der hat Interessantes zu berichten:

Screenshot: ARD

Screenshot: ARD

Was wäre die Alternative? Wir würden dann schnell Waffen dort finden wie Boden-Boden-Raketen, Flugzeug-Abwehr-Raketen, Anti-Schiffs-Raketen. Also all das, was die Hisbollah-Miliz im Libanon auf uns gerichtet hat. Dieselbe Situation in Gaza, das ist nicht akzeptabel.

Welch bequeme Argumentation. Kein Wort davon, dass die zuletzt aufgehaltenen Konvois in erster Linie dringend benötigtes Baumaterial geladen hatten, um den Zivilisten, die seit weit mehr als einem Jahr in vollkommen zerbombten Straßenzügen leben, wenigstens den Ansatz einer Möglichkeit zu geben, wieder ein kleines bisschen Lebens-Wert zurück zu geben. Natürlich birgt die Auflockerung der Blockade Risiken für Israel, gerade was den Schmuggel von Waffen angeht. Ob die aber ausgerechnet aus Ländern wie der Türkei oder Irland kommen, wenn doch die größten Verbündeten der Palästinenser eigentlich im direkten Umland zu finden sind…

Zugegeben, das mag alles noch vertretbar sein, und Argumente lassen sich für beide Seiten finden. Dann aber wird es abwegig:

Die Türkei ist heute doch der entscheidende Faktor in der Achse der Radikalen. In den letzten Jahren sprach man immer von zwei Achsen im Nahen Osten: Die moderate und die radikale. Von den Moderaten scheint mir nicht mehr viel übrig. Die radikale Achse dominiert heute. Das sind der Iran, die Türkei, Syrien, die Hisbollah im Libanon und die Hamas.

Hurra, wie haben eine neue Achse des Bösen! Die alte ist ja auch allmählich total überholt.

Aber dann schauen wir mal.

Der Iran: Bestreitet unter Ahmadinedschad vehement und lautstark das Existenzrecht Israels, umstrittenes Atomprogramm, usw, alles bekannt.

Syrien: Experimentier(t)en wohl auch mit Atomanlagen, wurden daher von der israelischen Luftwaffe angegriffen. Syrien und Israel befinden sich offziell seit 1948 im Kriegszustand, seit dem Gaza-Krieg 2008 wurden die Friedensgespräche ausgesetzt.

Libanon/Hisbollah: Libanonkrieg 2006, mehrere Tausend Verletzte und viele hundert Tote auf beiden Seiten.

Hamas: Sieht für Israel ebenso kein Recht auf Existenz, Holocaust-Leugnung ist auch nicht ganz unpopulär in deren Kreisen, ganz seriöser Verein

Bleibt die Türkei: Nicht nur, dass sie über kurz oder lang dann doch in die EU aufgenommen werden wird, die Beziehungen zwischen der Türkei und Israel gelten seit Gründung Israels als eng (u.a. war die Türkei der erste mehrheitlich muslimische Staat, der Israel offiziell anerkannte). Beim Entern eines Hilfskonvois wurde vor wenigen Tagen neun türkische Zivilisten von israelischen Spezialkräften getötet.

Es ist ganz klar, dass die Türkei der „entscheidende Faktor der radikalen Achse“ ist.

Genauso klar ist auch, dass es nicht nur Israel an in dieser speziellen Situation an Verhältnismäßigkeit  mangelte s sondern auch den tagesthemen.


Intermission 2

Vor seinem Tod verfügte Mark Twain, dass seine Autobiographie 100 Jahre nach seinem Tod veröffentlicht werden dürfte. Er starb 1910.

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